Der Krautbühl von Nagold

   
  Der Krautbühl von Nagold im Luftbild.  
     
 

Jeder kennt ihn - den merkwürdigen Hügel an der Nagold, nahe beim Uferparkplatz. Eine kleine Tafel am Fußweg gibt Auskunft darüber, dass es sich hier vermutlich um einen Grabhügel aus frühkeltischer Zeit handelt, errichtet für einen vornehmen Kelten, der im 6./5. Jh. v. Chr. auf dem damals schon befestigten Schlossberg residiert hat.

Bei einem Durchmesser von 50 m ist der Hügel heute noch 4,5 m hoch; damit zählt er zu den größten und besterhaltenen Grabhügeln dieser Zeit. Früher nannte man ihn "Heidenbühl", ein Hinweis darauf, dass sich die Nagolder schon in früheren Generationen Gedanken über den Hügel gemacht und seine Entstehung in vorchristliche Zeit verlegt haben. Natürlich rankt sich auch manche Sage um den geheimnissvollen Hügel: Soldaten sollen hier einem gefallenen Feldherren zu Ehren in Helmen Erde herbeigetragen und über seinem Grab zu dem Hügel aufgeschüttet haben.

Der Name Krautbühl leitet sich von den 14 Kräutergärten ab, die bis 1986 den Hügel bedeckten.
Die gartenbauliche Nutzung war es auch, die dem ursprünglichen kalottenförmigen Hügel eine flachkegelige Form verlieh, d. h. es wurde Material von der Hügelkuppe allmählich hangabwärts transportiert, der Hügel floss regelrecht auseinander.

 
    1979 wurde beim Bau einer am Hügel vorbei führenden Kanaltrasse eine ehemalige Hügelflussumgrenzung in Form eines Trockenmäuerchens freigelegt. Die Nutzung der Kräutergärten brachte erste Hinweise ans Licht, was im Krautbühl verborgen liegt: Bereits im 19. Jh. wurde man auf römische Scherben in der Hügelschüttung aufmerksam - ein Hinweis, dass man im 2. Jh. nach Chr. hier wieder eine Bestattung eingebracht hat, zu einem Zeitpunkt, als der Hügel bereits 700 Jahre existierte.  
  Der Krautbühl 1984
 
     
 

1899 fand sich dann eine aus Steinplatten errichtete Grabkammer im oberen Bereich des Krautbühls, die darin niedergelegte Bestattung enthielt aber keinerlei Beigaben. 1925 wurden im Zuge einer Untersuchung durch den Archäologen Oscar Paret drei weitere Gräber dieser Art angeschnitten. In einem fanden sich ein eisernes Messer und am Schädel der Bestattung der Rest eines Bronzeringchens und zwei Glasperlen. Recherchen von Hans Dieter Maiwald haben noch weitere Fundberichte ergeben: Etwa 1938 wurde auf halber Höhe des Krautbühls eine große Steinplatte freigelegt, unter der eine Öffnung klaffte. Der damalige Eigentümer griff in die Öffnung und holte ein verrostetes Eisenschwert hervor, das leider in den folgenden Jahren verloren ging.

Ein weiteres Grab wurde dann um 1950 oder davor angeschnitten. Es soll sich um einen Kindersarg aus rötlichem Stein gehandelt haben, die Reste eines Schädels wurden damals auf dem Rathaus abgegeben, der Sarg verblieb an Ort und Stelle.

 
 


 

Diese Steinplattengräber stammen aus der Merowingerzeit, konkret dem späten 7. Jh. nach Chr. Somit hat der Krautbühl auch im frühen Mittelalter nochmals als Bestattungsplatz gedient, diesmal für eine - sicherlich bedeutsame - Alamannenfamilie.

Peter Gössler vermutete, dass der Krautbühl im frühen Mittelalter den Grafen im Nagoldtal als Gerichtsplatz gedient hat. Auch wenn urkundliche Belege hierfür fehlen, hat die Vermutung ihre Berechtigung, denn von ähnlichen Grabhügeln ist diese Funktion tatsächlich belegt.

 
  Der Krautbühl auf der Katasterkarte von 1925.      
     
  Im Zeitraum November 2000 bis Februar 2001 wurden auf Anregung von Hans Dieter Maiwald und Dr. Günther Wieland umfangreiche geophysikalische Messungen auf dem Krautbühl und in seinem unmittelbaren Umfeld durchgeführt. Die Geophysik erlaubt in der Archäoprospektion die zerstörungsfreie, flächendeckende Erkundung des Untergrundes von der Oberfläche aus ohne Bohrungen und Grabungen. Dabei werden mit hochempfindlichen Messgeräten physikalische Eigenschaften des Untergrundes (z.B. Magnetisierung, elektrische Leitfähigkeit, Ausbreitung seismischer oder elektromagnetischer Wellen) ermittelt und in ihrer archälogischen Bedeutung interpretiert. Entsprechend den verschiedenen Fragestellungen am Krautbühl wurden mehrere geophysikalische Messverfahren eingesetzt.

Warum wird der Krautbühl nicht ausgegraben?

Die Frage, warum die Archäologen nach diesen vielversprechenden Ergebnissen nicht systematisch ausgraben, werden sich viele stellen. Sicherlich wäre es für die Landesarchäologie und die Nagolder Heimatgeschichte gleichermaßen interessant. Da aber jede - auch noch so sorgfältig durchgeführte - Ausgrabung gleichzeitig die Zerstörung der Originalsubstanz bedeutet, gilt hier der Grundsatz "Erhaltung geht vor Erforschung". Nicht zuletzt deshalb wurde die geophysikalische Prospektion durchgeführt, denn sie ermöglicht einen Erkenntnisgewinn ohne die Originalsubstanz zu zerstören.

Die Methoden in der Archäologie werden ständig weiter entwickelt und verfeinert - die Folge davon ist, dass wir bei Untersuchungen immer mehr und detailliertere Informationen bekommen. Zukünftigen Generationen wird es vielleicht einmal möglich sein, Erkenntnisse über diesen 2 500 Jahre alten Grabhügel zu gewinnen, die uns mit unseren heutigen Methoden verborgen bleiben würden. Der Grabhügel Krautbühl ist deshalb ein eingetragenes Kulturdenkmal nach § 2 des Denkmalschutzgesetzes und genießt damit den höchsten Schutz vor Veränderung, Zerstörung oder Beeinträchtigung - ein einmaliges archäologisches Objekt und ältestes sichtbares Monument aus der Geschichte Nagolds.


Es ist dem Engagement von Hans Dieter Maiwald zu danken, dass die geophysikalische Prospektion des Krautbühl durch großzügige Spenden finanziert werden konnte.

Mit Hightech auf Keltenspuren: Eingesetzte Messverfahren und ihre Ergebnisse.

 
     
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