Der Rudersberg bei Calw –
eine vor- und frühgeschichtliche Befestigungsanlage am östlichen Schwarzwaldrand

 

Am Ostrand des Schwarzwaldes, 1,4 km südlich von Calw, liegt in einer markanten Flussschleife der Nagold, der 410 m hohe Rudersberg.

Nach Westsüdwest ist er durch einen schmalen Sattel mit den ansteigenden Schwarzwaldhöhen verbunden, an den übrigen Seiten wird er von der Nagold umflossen. Der Gipfel des Berges liegt etwa 80 m über der Talsohle, er wird von einer länglichen Kuppe von ca. 1 ha gebildet.

Gegen den Sattel und auf der Nordseite finden sich die Reste einer doppelten Wallanlage: Ein innerer Wall, der auf der Hangkante sitzt hat an der Westseite gegen den Sattel noch eine max. Höhe von 5,80 m (Innenböschung max. 0,8 m) Er verläuft entlang der gesamten Nordseite, wobei er hier aber deutlich schwächer ausgeprägt ist.
Etwa 10 m tiefer im Hang setzt ebenfalls an der Westseite gegen den Bergsattel der äußere Wall an, der bei einer Breite von 10 m noch bis 2,5 m hoch erhalten ist (Innenböschung 0,6 m). Er verläuft auf einer Länge von ca. 70 m parallel zum inneren Wall der Nordseite und wird dann von einem Waldweg abgeschnitten. Etwa an dieser Stelle führt nach Norden ein leicht gekrümmter Wall hangabwärts, wobei der Zusammenhang unklar ist.

 
 
Die Südseite der Bergkuppe zeigt keine Spuren einer Befestigung mehr - da es sich hier um den steilen Prallhang der Nagold handelt, konnte hier darauf verzichtet werden, oder aber eine ursprünglich vorhandene Befestigung in Form eines Walles oder einer Palisade ist schon längst am Steilhang abgerutscht.

Dieses Charakteristikum, nämlich dass man Steilabfälle nur mit einem Zaun oder gar nicht befestigt zu haben scheint, findet sich bei zahlreichen anderen vor- und frühgeschichtlichen Befestigungen.
Aus Richtung Kentheim kommend verläuft der einzig erkennbare Zugang an der Südseite des Sattels bergauf, am Kopf des äußeren Walles vorbei. Die Bergkuppe erreicht dieser Weg an der Südseite etwa 20 m östlich der SW-Ecke. Der innere Wall verläuft hier auf ca. 20 m Länge entlang der südlichen Hangkante. Wo der Weg die Hangkante erreicht, bildet der Ausläufer des inneren Walles mit einem parallel verlaufenden flachen Wallstück eine zangentorartige Zugangssituation, deren Konstruktion aber ohne archäologische Untersuchung nicht zu beurteilen ist.

Im Nordwesten wurde durch Prof. Steudel und F. Hertlein 1921 der innere Wall untersucht, wobei eine Trockenmauer mit verbrannter Holzkonstruktion festgestellt wurde.

Gegen die Mitte der Bergkuppe wurde bereits bei der systematischen Aufnahme der Wallanlagen 1984 im Rahmen des Schwerpunktprogramms „Atlas der archäologischen Geländedenkmäler in Baden-Württemberg“ eine rechteckige Struktur von ca. 18 x 15 m dokumentiert, die als Rest eines gemauerten Gebäudes anzusehen war.

Diese Vermutung bestätigte sich unerwartet im Dezember 2000. Der Orkan „Lothar“ entwaldete durch Windbruch das gesamte westliche Drittel der Gipfelkuppe. Im Bereich der rechteckigen Struktur wurden dabei Teile von Mauerwerk freigelegt.

In diesem Zusammenhang konnte D. Beckmann Funde aus verschiedensten Epochen bergen, die das bislang eher spärliche Fundspektrum vom Rudersberg beträchtlich erweitert haben.

 
  Spuren der Jahrtausende –
Funde aus unterschiedlichsten Epochen vom Rudersberg

 
   
 
Eine ganze Reihe von Silexartefakten, die bereits seit einiger Zeit auf und an dem Berg aufgelesen werden belegen, dass der Rudersberg in der Zeit etwa zwischen 10.000 und 7.500 v.Chr., der mittleren Steinzeit, dem Mesolithikum, öfter vom Menschen aufgesucht wurde:

Es liegen einige neolithische Silexartefakte wie z.B. ein Kratzer oder eine gestielte Pfeilspitze vor - solche Pfeilspitzen gehören in das ausgehende Mittelneolithikum, d.h. etwa den Zeitraum um 4000 v.Chr.
Was die Keramikfunde vom Berg angeht, so gibt es einige Scherben, die man in die Frühbronzezeit datieren kann, also etwa in den Zeitraum um 2200 v.Chr. Vielleicht besteht hier sogar ein Zusammenhang mit einem sehr frühen Erzabbau im Schwarzwald, denn die Neubulacher Kupfererz-Vorkommen liegen nicht weit entfernt.
Es liegt ein beträchtliches Fundspektrum an Keramik aus der sog. Urnenfelderzeit (1200-800 v.Chr.) vor. – Die Urnenfelderzeit kennzeichnet den Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit und das neue Metall hat sicherlich weitgreifende Veränderungen im Machtgefüge und in der gesellschaftlichen Struktur ausgelöst.
Vielleicht kann man soweit gehen, eine erste Blütezeit des Rudersberges in dieser Zeit anzunehmen – vermutlich wurde damals auch die erste Befestigung angelegt.

Um einen frühkeltischen Fürstensitz, wie sie im 7./6. Jh. v.Chr. etwa auf dem Hohenasperg oder dem Nagolder Schlossberg entstehen, hat es sich beim Rudersberg sicher nicht gehandelt. Typisches Material aus dieser Periode, der so genannten späten Hallstattzeit, liegt vom Berg bislang nicht vor.
Aber die Blüte der frühkeltischen Fürstensitze währte nicht sehr lange – bereits mit der beginnenden Frühlatènezeit um die Mitte des 5. Jhs. gehen diese zugrunde und die Konzentration der Macht verlagert sich generell aus dem Süddeutschen Bereich in Richtung Mittelrhein/Mosel und Mittelgebirgsraum.

 
    In der voll entwickelten Frühlatènezeit, dem 4. Jh. v.Chr. ist bei uns von diesen Strukturen nichts mehr geblieben und das ist die Zeit, in welcher der Rudersberg seine eigentliche Blüte erlebt.

Den weitaus größten Teil des bislang bekannten Fundmaterials machen Objekte aus der Frühlatènezeit aus, darunter zahlreiche Keramik (auch schon auf der Töpferscheibe gefertigte), Fibelfragmente und Reibsteine (so genannte Napoleonshüte).
 
             
 
Die Wallanlagen

 
 

 

Die Datierung vorgeschichtlicher Wälle ohne Grabung ist sehr schwierig, doch gibt es manche Charakteristika, die wenigstens Hinweise geben können –
Wallsysteme, die z.T. den Hang hinunter ziehen, wie es am Rudersberg der Fall ist, scheinen besonders in der Frühlatènezeit entstanden zu sein.
An der Nordseite des Rudersberges, im westlichen Drittel des inneren Walles wurde 2002 ein Schnitt angelegt, der 2003 weiter untersucht wurde. Bereits nach dem Abräumen der obersten Schichten zeigten sich in erheblichem Umfang verbrannte Holzreste, was die bereits von Hertlein 1921 erkannte Holz-Erde-Mauer bestätigt.
Ebenfalls in den obersten Schichten fand sich ein frühmittelalterlicher Eisensporn, der die Wiederbenutzung des Berges im 7./8. Jh. belegt.
Es wurden Reste einer Konstruktion freigelegt, wie sie für keltische Befestigungsmauern typisch ist: Eine Trockenmauer ohne Mörtelbindung, bei der Holzeinbauten für die nötige Stabilität sorgen, d.h. die Außen- und Innenfront bestand aus trocken aufgesetztem Steinmaterial, das von senkrechten und waagrechten Holzeinbauten stabilisiert wurde.
Der Zwischenraum wurde mit Erde und losem Steinmaterial aufgefüllt.
In dieser Füllung fanden sich zahlreiche Scherben der Urnenfelderzeit und einige frühlatènezeitliche Scherben (d.h. zum Auffüllen wurden ältere Kulturschichten aus dem Innenraum der Befestigung verwendet).

Die Entstehung der Befestigung in der Frühlatènezeit (5./4. Jh. v.Chr.) dürfte somit gesichert sein.
Unklar bleibt weiterhin, ob der Rudersberg bereits in der Urnenfelderzeit (1200-800 v.Chr.) eine Befestigung hatte.

 
  Die früh- und hochmittelalterliche Nutzung des Berges  
 
Im Zentrum der Berghochfläche wurde eine rechteckige Mauerstruktur freigelegt, die zu einem Gebäude des 7./8. Jhs. gehört. In dieser Zeit wurde auch der Wall instand gesetzt, wie ein frühmittelalterlicher Hakensporn aus der Wallschüttung zeigt. Auch wenn die exakte Deutung dieser Anlage bislang nicht erschließbar ist, dürfte ein Zusammenhang mit dem früh- bis hochmittelalterlichen Landausbau im Nordschwarzwald bestehen.

 
 
 
     
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